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Anpassung oder Individualität?


Ist es im Leben besser sich anzupassen oder doch sich selbst treu zu bleiben und sein Ding zu machen?


Dieser Frage möchte ich in dem Text auf den Grund gehen. Aber zunächst einmal, was bedeuten die beiden Begriffe „Konformität“ und „Individualität“?


Konformität

Unter Konformität verstehe ich, dass man sich anpasst und das tut, was die Normen und die Gesellschaft vorschreiben. Man tut das, was andere tun und was von allen als allgemein richtig anerkannt wird. Man tut nur das, was auch akzeptiert wird. Konformität bedeutet also, dass man mit der Masse mitschwimmt, ein Teil von ihr wird. Man wird anderen dadurch ähnlich, ich will nicht sagen, man wird genau so wie die anderen, denn das ist eigentlich gar nicht möglich. Konformität hat viel mit dem sozialen Ich zu tun, also wie ich nach außen wirke und mich gebe. Konformität ist insofern gut, weil es ein problemloses Miteinander gewährt. Wenn sich jeder an die Regeln und Normen hält, kommt es auch zu keinen Schwierigkeiten. Man stimmt dem zu, was allgemein gültig ist. Es kommt zu keinen Konflikten, eher zu Frieden und Harmonie. 

Es stärkt auch die Gruppenzugehörigkeit. Denn wenn man es anderen gleichtut, wird das eben sehr gern gesehen. Das eigene Ansehen wird gefördert und man wird dadurch auch geschätzt. Wenn ich beispielsweise in einer Bar bin und jeder Alkohol bestellt, ich eigentlich keinen trinke, es aber dennoch tue, weil es die anderen machen. Dann verhalte ich mich konform. Oder wenn ich beim Einkaufen mich brav hinter die Warteschlange stelle, dann bin ich ebenso konform. Es gibt im sozialen Leben immer gewisse Richtlinien und Erwartungen, die man auch zu erfüllen hat. Wenn man es nicht, kann es negative Konsequenzen haben. Wir könnten bestraft werden oder eben auch abgelehnt werden. Verhalten wir uns dagegen konform, passiert entweder nichts oder wird werden sogar belohnt. Bei meinem Beispiel mit dem Alkohol könnte mein Ansehen steigen und ich fühle mich der Gruppe zugehöriger.

Doch so viele positive Aspekte es gibt, kommen auch einige negative hinzu. Ich versuche es mal an kollektivistischen Gesellschaften zu verdeutlichen, auch wenn diese Auffassung nicht so radikal zu sehen ist. Kollektivistische Gesellschaften wie Japan stellen das Gruppenwohl über das Individuum. Es gibt in Japan ein Sprichwort, das so lautet: „Ein vorstehender Nagel wird eingehämmert.“ Das ist eine sehr bildhafte Metapher. Der vorstehende Nagel entspricht einer Person, die sich nicht konform verhält. Alles was absteht, bedeutet Andersartigkeit also auch Individualität. Gleichheit wird angestrebt, sodass keiner hervorsteht. 

Es geht nur um das Gruppengefühl. Das Sprichwort zeigt sehr drastisch, was mit den Menschen passiert, die sich daran nicht halten. Sie werden auch mit Gewalt zur Anpassung gezwungen oder eben aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
 In Japan gilt es, sich anzupassen, was man besonders auch optisch an den Schuluniformen sieht. Jeder trägt die gleiche Kleidung, damit niemand auffällt. Es geht um eine homogene Kultur, in der Individualität keinen Platz hat. Denn sobald jemand mal anders ist, fällt er auf und sorgt für Unruhe. Durch Andersartigkeit kann es auch zu Ungleichgewicht und Ungerechtigkeit kommen. Neid und Eifersucht werden gefördert und stiften ebenfalls Probleme. 

Ein anderes Beispiel, um Konformität in Japan zu verdeutlichen ist, dass zwischen „Honne“ und „Tatemae“ unterschieden wird. Honne entspricht den wahren Gefühlen und Wünschen einer Person. Diese können denjenigen der Gesellschaft widersprechen. Da es in Japan wichtig ist, sich an der Gesellschaft zu orientieren und das Gesicht zu wahren, werden diese auch verborgen gehalten.
Dagegen bedeutet Tatemae so etwas wie Maskerade, es ist das Verhalten und Äußerungen in der Öffentlichkeit, die auch den sozialen Erwartungen entsprechen. Sie muss nicht mit Honne übereinstimmen. Beides sind nicht unbedingt nur japanischspezifische Phänomene. Wir kennen das auch aus unserem Alltag, es ist universell und in jeder Gesellschaft zu finden. Doch ich finde, dass es in Japan oder den kollektivistischen Ländern am stärksten ausgeprägt ist, weil eben die Gesellschaft auf ein Podest gestellt wird.


Individualität


Doch nun zum anderen Begriff „Individualität“. Individualität meint die Einzigartigkeit und Besonderheit des Menschen. Es umfasst all die Eigenschaften einer Person, die sie ausmachen und sie somit zu einer einzigartigen Person machen. Ich denke an Charaktereigenschaften, natürlich auch das Aussehen, Vorlieben, Abneigungen, Interessen, Erfahrungen, Erlebnisse, Gedanken, Gefühle, Ansichten, Handlungen, Wünsche, Motive, Ziele, Träume, Ängste, Stärken und Schwächen und noch viel mehr. Sowohl innere als auch äußere Eigenschaften zählen dazu, wobei ich finde, dass es doch auf die inneren am meisten ankommt. Individualität drückt sich dann aus, wenn wir uns auf unsere Stärken und Schwächen beziehen. Wenn wir an ihnen arbeiten. 

Oder wenn wir uns selbst beschreiben müssen, dann suchen wir uns die Dinge aus, die für uns charakteristisch sind. Unser Charakter ist es, der besonders individuell sein soll. Aber auch ohne, dass wir selbst etwas tun, ist jeder individuell. Ich assoziiere damit auch den Begriff „Andersartigkeit“. Wir sind die Summe an unterschiedlichen Eigenschaften. Jeder hat eine andere Konstellation und daraus ergibt sich Andersartigkeit. Menschen haben zwar vieles gemeinsam, doch es gibt auch viele Unterschiede. Insofern ist das auch Debatte darum, ob man anders sein oder anderen gleichen sollte. Individualität zielt mehr auf die Unterschiede, die entscheidend sind. 

Konformität ist dagegen auf die Gemeinsamkeiten und Gleiches gerichtet. Im Gegensatz dazu verstehe ich weniger als Eigenschaft an sich, die man hat, sondern sie bezieht sich auf unser handeln und ist meist auch mit Vernunft und Bewusstsein verbunden. Individualität hat mehr mit dem „Sein“ zu tun, während Konformität eher etwas mit dem „Tun“ zu tun hat. Natürlich kann auch das, was ich tue, individueller Art sein. Ich will damit aber ausdrücken, dass wir uns immer erst entscheiden müssen, konform zu sein. Und dass es meist auch damit zu tun hat, dass wir eben gut in der Gesellschaft da stehen wollen. Es muss dabei nicht unbedingt etwas mit eigenen Interessen zu tun haben. Ich denke bei Konformität, dass es wirklich eher um die anderen, als um mich selbst geht. Bzw. ich es wie die anderen tue, weil ich Angst vor einem Gesichtsverlust habe oder weil mein Leben dadurch einfacher und bequemer wird. 


Zwei Gegensätze die zusammengehören


Konformität und Individualität sind zwei Pole, die zusammen gehören und die uns ein Leben lang begleiten. Stellt sich die Frage, welcher Pol ist der bessere? Ich würde sagen, es kommt ganz auf die Situation an. Das kann man nicht verallgemeinern. Ich denke, dass der goldene Weg, das Pendeln zwischen beiden, am besten funktioniert. Denn wenn ich nur zu dem einen tendiere, ist das nicht gut. Extreme sind im Leben nie gut, Einseitigkeit auch nicht.


Einseitigkeit und Extreme schaden eher


Stellen wir uns vor, ich verhalte mich immer konform. Mag sein, dass ich dadurch ein angenehmes Leben habe. Aber irgendwann wird dadurch mein eigenes Ich verloren gehen. Wer bin ich dann überhaupt noch, wenn ich mich von anderen nicht mehr unterscheide? Wenn ich alles so mache, wie andere es wollen, was passiert mit meinen Wünschen und meinen Bedürfnissen? Ich verrate mich selbst und verliere mich selbst. Ich verliere die Achtung von mir, mein Selbstbewusstsein schwindet. Ich werde so sehr leicht zum Spielball der anderen. Sie können mich nach Herzenslust manipulieren und ich tue nichts dagegen. Ich werde vielleicht ausgenutzt, weil ich alles mit mir machen lasse. Meine Würde und mein Stolz wären dahin. Dabei ist es doch mein Leben. Aber die anderen bestimmen über mein Leben und das kann wirklich nicht gut sein. 

Am Ende habe ich zwar gelebt, aber nicht so, wie ich es wollte. Vielleicht habe ich auch Dinge getan, die ich nicht mochte und die ich ablehnte. Aber ich tat sie, um es anderen Recht zu machen. Doch am Ende wurde es nicht geschätzt und ich gehe leer aus. Ich belüge damit nicht nur mich selbst, sondern auch die anderen, indem ich ihnen etwas vorspiele. Wenn man immer nur konform ist, aber eigentlich vieles tut, was man nicht will, dann setzt man doch eine Maske auf. Man erzeugt eine Illusion von sich selbst und belügt damit auch alle anderen. Irgendwann fliegt es auf, und die tolle Harmonie, die man sich erarbeitet hat, zerfällt in tausend Scherben. 

Nehmen wir an, ich bleibe mir selbst treu, aber tue wirklich nur das, was ich will. Ich setze ständig meine eigene Meinung durch, diskutiere mit anderen, streite mich ständig und ecke dadurch an. Ich halte mich an keine Regeln, weil ich sie doof finde. Ich gerate damit immer mehr in Schwierigkeiten und Probleme. Von der Gesellschaft werde ich gemieden. Mein Selbstbewusstsein ist stark, doch ich denke auf Dauer würde das irgendwann jeden stören. Denn der Mensch ist ein Herdentier, irgendwann wäre ich einsam, weil ich mit meinem rücksichtslosen Verhalte alle in die Flucht schlage. Wenn es also nur um meine Belange geht und ich mich danach orientiere, verliere ich den Blick für meine Außenwelt und Mitmenschen. Das wäre dann Egoismus. 

Klar am Anfang wäre es noch schön, warum muss man sich denn ständig Gedanken darum machen, was andere von einem erwarten und denken. Das ist doch deren Problem. Aber irgendwann wird es auch für mich ein Problem. Wenn ich also nichts einsehe, an meinen Schwächen und Fehlern arbeite, weil ich denke, dass sie einfach zu mir gehören und ich sie nicht zu verändern brauche, wird es mit dem Zusammenleben mit anderen schon sehr problematisch. Denn wenn wir zu verschieden sind, immer nur nach den Unterschieden gehen, dann fehlen die Gemeinsamkeiten und das gegenseitige Verständnis. Zu viel Individualität kann zerstörerisch und chaotisch sein. Wenn man zu viel Wert auf sich selbst legt, wird man eben ein Mensch, der nur an sich denkt. Doch das darf eben auch nicht sein. Denn zum Leben gehören auch andere dazu. Das was man tut, das betrifft auch andere. Wir müssen nicht immer nach der Pfeife der anderen tanzen, auf keinen Fall. Aber ein gewisses rücksichtsvolles Verhalten und das Abwägen, wann es gut ist, sich durchzusetzen und wann man Kompromisse eingehen sollte, ist schon wichtig.


Die goldene Mitte finden


Ich denke also, dass es wichtig ist, dass man beide Dinge beachtet und je nach Situation differenzieren und dann entscheiden sollte, wie man denn sich verhält. Geht man den individuell Weg oder macht man es so, wie es sich gehört? Im normalen Alltag ist es gut, wenn sich alle konform verhalten, wenn wir die  Regeln beachten, damit wir gut damit zurechtkommen. Regeln gestalten unser Miteinander und tragen dazu bei, dass alles reibungslos funktioniert. Natürlich sollen nicht alle Regeln fraglos hingenommen werden. Sie können auch reflektiert werden. Wenn viele Leute der Meinung sind, dass etwas richtig ist, muss es das nicht sein. Das kann man gerne hinterfragen. 

In Diskussionen kommt es ebenso darauf an. Wenn es um meine Bedürfnisse gehen, die vielleicht vernachlässigt werden, dann sollte ich auf für sie einstehen. Wenn es mir aber doch nicht so wichtig ist, kann ich auch gerne mit den anderen mit schwimmen. Bei der Berufswahl finde ich sollten wir nicht unbedingt auf das hören, was allgemein als gut erachtet. Da kommt es echt darauf an, dass ich das tue, was mich auch erfüllt. Bei wichtigen Entscheidungen, ob ich heirate oder ein Kind bekomme, sollten mir andere nicht dazwischen. Klar, kann ich mir Meinungen und Ratschläge einholen, doch die Entscheidung treffe ich schlussendlich.

Wenn es um Beziehungen geht, dann sollte man sich treu bleiben. Man sollte sich nicht unbedingt für andere Menschen verbiegen um ihnen zu gefallen. Das klappt meistens nicht, wird nicht gewürdigt und ist es auch nicht wert. Die richtigen Menschen akzeptieren einen so wie man ist. Aus der Jugend kennt man das ja: Es ist die Phase der Selbstfindung und wir orientieren uns sehr an unseren Freunden, die so cool sind. Wir möchten so sein wie sie. Generell schwärmen wir für gewisse Vorbilder und möchten es auch mal so weit schaffen. Das gibt uns Ansporn für unser zukünftiges Verhalten und um Ziele zu erreichen. Doch wir sollten uns nicht zu sehr darin verlieren, sondern versuchen unseren eigenen Weg zu gehen. 

Deswegen nicht etwas tun, was wir nicht wollen, um dazu zu gehören. Sich lieber Freunde und Partner suchen, mit denen wir auf einer Wellenlänge sind.  Eltern möchten ja gerne einem vorschreiben, was wir tun sollten und was nicht. Dahinter verbirgt sich die Sorge, dass wir einen falschen Weg gehen. Aber ich finde, dass sie ihren Kindern vertrauen sollten. Sie sollen ihre Erfahrungen machen und daraus lernen. Sie sollen ihren eigenen Weg gehen. Genauso sollten Partner in der Beziehung nicht am anderen meckern und ständig kritisieren. Denn auf Dauer führt das mehr zur Ablehnung. Wir sollten akzeptieren, dass andere so sind wie sie sind. Wir sollten ihre Individualität anerkennen und wertschätzen. 

Ein weiterer Punkt, der mich noch beschäftigt ist der ewige soziale Vergleich. Wir müssen immerzu auf andere schauen und urteilen, wem es besser geht und wer mehr hat und besser ist. Doch das ist vollkommen überflüssig. Da finde ich tatsächlich, dass man sich bewusst wird, dass jeder Mensch einzigartig ist und an sich wertvoll. Ein Vergleich ist deswegen schon im vornherein ausgeschlossen. Denn jeder Mensch ist anders und toll auf seine Art und Weise. Das muss sich jeder mal vor Augen halten. Vergleichen sollten wir uns dann nur mit uns selbst. Das wäre wesentlich besser für uns. 

Ebenso beschäftigt mich eine weitere Frage: „Wenn alle anders sein wollen, sind wir dann nicht alle gleich?“ Es stimmt, jeder strebt nach Individualität und wir versuchen, das auf unterschiedlichen Wegen zu realisieren. Aber ist die Individualität dann nicht wiederum eine Gemeinsamkeit? Das schon, aber dennoch ist und bleibt jeder anders und einzigartig. Auch wenn wir alle dasselbe wollen, ist das Ergebnis am Ende doch immer verschieden. Aber die Individualität vereint uns alle.

Abschließend lässt sich also sagen, dass es keine eindeutige Antwort auf meine Ausgangsfrage gibt. Ich würde sagen, dass es immer unterschiedlich ist und man nicht generell sagen kann, dass Anpassung oder Individualität besser wären. Anpassung ist wichtig, damit wir mit anderen zurechtkommen, damit der Alltag und Beziehungen funktionieren. Denn wenn wir uns immer anders verhalten, wäre das zu chaotisch und dekonstruktiv. Andererseits sollten wir aber auch nicht ständig alles so machen, wie andere es wollen.

 Es kommt auf das richtige Maß an. Wir sollten zu den Dingen stehen und uns nicht betrügen. Wenn wir doch anderer Ansicht sind und uns das wichtig ist, sollten wir darauf eingehen. Doch auch Individualität ist wichtig zu behalten, denn jeder Mensch ist einzigartig und dieses Potenzial sollten wir auch nutzen und entwickeln. Doch eben in einem gewissen Rahmen. Es ist wichtig, sich um sich selbst zu kümmern und sich selbst zu entwickeln. Das trägt zur eigenen Bereicherung bei. Doch es darf nicht ausarten. Wir dürfen andere damit nicht verletzen oder das Leben schwer machen oder uns selbst. 

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