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Objektivität versus Subjektivität?




Diese beiden Begriffe sind erst für mich relevant geworden, als ich mit dem Bloggen angefangen hatte. Ich hatte damals einen Artikel von Shino gelesen, bei dem es darum ging, dass viel zu viele Anime, die gar nicht so gut sind, gehyped und als total klasse angesehen werden. Es ging um die Frage der Qualität von Anime und dass es viele Fans gibt, die so etwas gar nicht erkennen. Sie schauen weniger auf die „objektiven“ Fakten wie Story und Figuren, lassen sich eher von ihren Emotionen verleiten und setzten Unterhaltungswert mit Qualität gleich. Sicherlich ist der Grad an Unterhaltung ein Aspekt, der in die Qualität mit einfließt, aber macht eben nicht alles aus. Auch wurde sich darüber ausgelassen, dass es immer hitzige Diskussionen darüber gibt, ob ein Anime gut oder schlecht ist. Viele Fans, so Shino, würden einen Anime toll finden und wüssten, wenn man sie fragt, warum, gar nicht, was sie antworten könnten.

Shino behauptete dagegen, dass seine Bewertungen viel kritischer und auch besser wären, weil er schon bereits sehr viele Anime gesehen hat und dadurch auch Expertise auf dem Gebiet hat. Nach dem Motto, wenn nach seiner Meinung Anime X schlecht ist, dann ist das die Wahrheit. Und wenn Anime Y total toll ist, entspricht dies auch der Realität. Außerdem trennte er seine subjektive Meinung (Unterhaltungswert) eindeutig von objektiven Faktoren, die eigentlich jeder erkennen müsste. Nun ist das aber alles sehr kritisch zu sehen, weil behauptet wird, dass jemand etwas objektiv erkennen kann.

Was bedeutet objektiv überhaupt? Aus meiner Sicht bedeutet es, dass etwas nicht durch persönliche Einschätzungen und Meinungen gesehen wird. Objektiv meint also die Unabhängigkeit von einer bestimmten Sichtweise und versucht etwas Allgemeingültiges auszusagen. Etwas, worüber man eventuell nicht streiten könnte? Etwas, was als Wahrheit und Realität angesehen werden muss.
Nach Wikipedia gibt es zwei unterschiedliche Definitionen dafür. Einerseits eine Unvoreingenommenheit, die nicht von Gefühlen und Vorurteilen bestimmt wird. Andererseits kann es auch bedeuten, dass etwas gegenständlich, wirklich, tatsächlich, unabhängig von einem Subjekt ist und dessen Bewusstsein existiert.
Wenn man sich diese Definitionen im Zusammenhang mit Shinos Aussage, dass er objektiv Anime beurteilen kann, wird deutlich, dass ein gewaltiger Widerspruch herrscht. Zunächst einmal habe ich durch die Persönlichkeitsentwicklung erkannt, dass das, was die Menschen als Realität bezeichnen, gar nicht so ist. Wir glauben, dass wir die Wirklichkeit erfassen können, aber das ist nur ein Trugschluss. Das fängt schon mal damit an, dass wir nicht wie in Erzählungen eine auktoriale Perspektive haben. Wir sehen immer alles aus unserer Ich-Sichtweise. Zumal der Mensch als Mängelwesen nur einen Ausschnitt der Realität wahrnehmen kann, weil es zu viele Reize gibt. Würde er versuchen, alle aufzunehmen und aufzuarbeiten, würde er überfordert sein. Deswegen gibt es auch im Menschen sogenannte Filter, die nur das Wichtigste und Notwendige ins Gehirn lassen und alles andere ausblenden. Schon allein dadurch, können wir gar nicht in der Lage sein, alles wahrzunehmen. Wir nehmen somit also nicht die ganze Wirklichkeit auf.

Zum anderen, gibt es die Behauptung, dass jeder Mensch die Realität noch mal anders sieht. Ich habe auf einem Blog gelesen, dass das was wir als Realität annehmen nicht die „Landschaft“, also die wirkliche Realität, ist, sondern nur die „Landkarte“. Die Landkarte ist das Bild der Realität, was jeder Mensch sich individuell selbst erschafft. So wie es ein „Ich“ an sich nicht gibt, weil wir es immer selbst erschaffen, gibt es auch die Wirklichkeit nicht. Sie wird vielmehr von uns konstruiert. Wir können die Welt nicht so sehen, wie sie ist, ohne, dass wir sie subjektiv erleben. Und hier kommt eben der zweite wichtige Begriff ins Spiel „Subjektivität“.
Man kann eigentlich die Bedeutung von „Objektivität“ umkehren, um den Inhalt des Gegenbegriffs zu erhalten. Wenn wir subjektiv sagen, meinen wir damit, dass etwas von einem bestimmten Standpunkt oder einer Perspektive abhängig ist. Daher hat Subjektivität noch mehr Formen, weil es unendlich viele Subjektivitäten wie Menschen gibt. Nun sehen wir die Welt durch unsere subjektive Landkarte, die wir mit der Landschaft verwechseln. Warum ist das so? Wir nehmen die Welt nicht einfach so unkommentiert wahr, sondern konstruieren und interpretieren sie, wie wir wollen. Das alles wird durch subjektive Komponente bestimmt. Diese sind Charaktereigenschaften, Werte, Sichtweisen, Meinungen, Erfahrungen, Verhaltensweisen, Normen etc. Man könnte sagen, alles was wir uns im Leben aneignen oder was uns im Leben anerzogen worden ist.

Ein gutes Beispiel, um zu verdeutlichen, dass nicht jeder die Wirklichkeit gleich erlebt, wäre das Feststecken im Fahrstuhl.
Da gibt es einen Menschen, der sich vielleicht freut, weil es so etwas noch nie erlebt hat. Vielleicht hat dieser jemand auch etwas Unangenehmes vor sich und ist erleichtert, dass er diesem durch den Fahrstuhl entkommen kann. Ein anderer Mensch leidet vielleicht unter Klaustrophobie und hat wahnsinnige Angst. Wieder ein anderer scheint in seinen Gedanken versunken zu sein, nimmt es nicht wahr oder schläft fast ein. Dann gibt es wiederum einen anderen Menschen, der richtig sauer wird und Wutanfälle bekommt, weil er es nicht zu einem wichtigen Meeting schafft. Und ein letzter Mensch hat bereits den ganzen Tagen nur Missgeschicke erlebt, dass der Fahrstuhl stecken bleibt, ist die Krönung. Er verfällt in Depression und fragt sich, warum ihm das immer nur passieren muss. Wie wir also sehen können, ist eigentlich nur das Feststecken im Fahrstuhl die objektive Realität, aber wir konstruieren und interpretieren die Realität immer so, wie wir es wollen. Dadurch resultieren sehr verschiedene „Landkarten“, die sich in unser Gedächtnis einspeichern.
Was fällt eigentlich bei allen Beispielen auf? Dass die Wahrnehmung subjektiv ist, weil sie immer mit den jeweiligen Gedanken und vor allem den persönlichen Gefühlen zusammenhängt, was der Objektivität widerspricht. Vielleicht könnten wir davon sprechen, dass wir etwas objektiv sehen, wenn wir Roboter wären. Diese haben keine Gefühle und würden tatsächlich nüchtern herangehen. Aber wir sind eben keine Maschinen und verfügen daher nicht über Objektivität.

Auch wenn jemand sagen wir mal ein Richter, ein Urteil fällen müssen, würden wir denken, dass der Richter eine unabhängige Instanz ist. Es kann aber sein, dass er sich auch durch Sympathien leiten lässt. Aber das Wichtigste, was man hier nicht vergessen darf, dass er trotz seiner Rolle nicht objektiv handelt. Wie erwähnt bedeutet Objektivität nicht nur, dass man unvoreingenommen ist, sondern auch, dass es nicht von einer Sichtweise abhängig ist. Nun haben wir aber geklärt, dass ein Mensch gar nicht anders kann, als aus seiner Sicht etwas zu interpretieren. Selbst wenn wir versuchen würden, uns in einen anderen hinein zu versetzen, ginge das nicht. Wir können es ungefähr erahnen, aber nie komplett schaffen. Immer wären wir von unserer Sichtweise beschränkt. Etwas außerhalb unserem Bewusstsein wahrzunehmen, würde bedeuten, dass wir unser „Ich“ verleugnen würden. Also unsere Existenz verneinen, aber das schaffen wir nicht. Der Richter mag vielleicht nicht von seinen Gefühlen und Vorurteilen geleitet werden, er könnte durchaus sachlich und nüchtern Urteile fällen, aber eben nie objektiv. Klar, er orientiert sich an den vorliegenden Fakten und Beweisen. Doch, was er daraus ableitet, hängt zum Größten Teil von seiner Erfahrung als Richter ab.

Wir können natürlich behaupten, dass wir objektiv handeln, wenn wir versuchen verschiedene Sichtweisen zu übernehmen, wenn wir uns wirklich nur an den harten Fakten halten. Doch bevor wir entscheiden, wie wir handeln, knüpft an diesen Fakten und Beweisen eben unser Bewusstsein, dass IMMER subjektiv ist.

Kommen wir nun aber zurück zum Beispiel von Shino, der behauptet, dass andere Leute nichts über die wahre Qualität von Anime wissen, aber er schon. Und ebenso zu der Aussage, dass er zwischen objektiver und subjektiver Meinung unterscheiden kann. Augenscheinlich ist es einfach zu sagen, dass subjektive Meinung bedeutet, dass man von seinen Gefühlen, Vorlieben, Abneigungen und Vorurteilen geleitet wird. Dagegen die objektive Meinung sich nur wirklich an den realen Fakten unabhängig von unserer Wahrnehmung richtet. Doch das würde implizieren, dass wir bei unserer Wahrnehmung überhaupt nicht von unseren Vorlieben geleitet werden. Nun frage ich mich, was für einen Maßstab man dann bei der Bewertung nimmt. Es hat doch zuvor noch keiner eine allgemeingültige Bewertungsskala oder ein Bewertungsschema zusammengestellt. Zumal es nicht möglich ist, einfach mal eine objektive Meinung abzugeben. Wie gesagt, wir nehmen die Wirklichkeit immer gefiltert wahr und immer durch unsere „Landkarten“. Wer kann schon sagen, was eine gute Story ausmacht? Oder gute Charaktere? Okay sicherlich kann man da auf einen Nenner kommen, aber ich bin der Überzeugung, dass jeder Mensch die Geschichte und die Figuren anders wahrnimmt. Warum?

Weil wir von unseren Sichtweisen und Gefühlen geleitet werden. Es geht einfach nicht, diese auszuschalten, vor allem nicht, wenn es um Geschmacksfragen geht. Für jeden sieht eine gute Story und tolle Figuren anders aus. Manche mögen dies, manche mögen jenes. Zu behaupten, dass man allein recht hat, die anderen aber falsch liegen, ist ignorant. Das würde bedeuten, dass man allein die Wahrheit kennt, aber sich alle irren. Doch bei Bewertungen gibt es einfach keine Objektivität, besonders hier spielt die Subjektivität mit rein. Wir müssen uns also von unserer Wirklichkeit verabschieden, denn diese EINE gibt es nicht. Das habe ich erkannt. Man muss akzeptieren, dass es mehrere Realitäten gibt, weil jeder Mensch seine Wirklichkeit anders erschafft.
Und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Es gibt hier nämlich kein Richtig oder Falsch. Generell sind das auch zwei Kategorien, die erst vom Menschen erschaffen worden sind, genauso wie gut oder schlecht. Und da sind wir auch wieder bei der Wirklichkeit. Alles auf der Welt hat beide Seiten und zu sagen, dass eine Sache kategorisch das eine ist und das andere ausschließt ist ebenfalls kritisch zu sehen. Bei Geschmäckern sowieso, da darf man nicht mit richtig oder falsch argumentieren. Man akzeptiert, dass es mehrere Möglichkeiten gibt und lässt jedem seine Meinungsfreiheit.

Was ist jetzt aber nun bei Sachen, wo die Mehrheit etwas als gut empfindet, aber ein einziger, wie Shino, sagt, dass sie alle falsch liegen. Allgemein denkt man, wenn die Masse das denkt, dann wird es schon stimmen. Aber sie kann sich auch irren nicht wahr? Auch das hängt wieder vom Geschmack ab. Es stimmt, dass Shino durchaus mehr Erfahrungen hat und alles kritischer sieht. Bei der breiten Masse wäre eher das Gegenteil der Fall. Wer hat nun recht? Keiner von beiden. Warum? Weil jeder andere Meinungen, Erfahrungen und Geschmäcker hat. Im Endeffekt sagen uns die Meinungen, die beide haben, nichts über die wahre Qualität der Anime aus, sondern welchen Geschmack und welche Meinung sie davon haben. Die Meinung also das Bild der Realität ist eben das Abbild, aber nicht die Wirklichkeit. Ein beurteilen, ob richtig oder falsch, ist immer eine Interpretation der Welt. Und diese Interpretation ist immer subjektiv, wie wir wissen. Es gibt sozusagen keine objektive Interpretation. Man kann eigentlich die Welt nicht erfassen, wenn man immer nur in Kategorien denkt. Die einzige Möglichkeit, die wirkliche Welt zu erfassen, ist, einfach mal Bewertungen und Meinungen darüber auszulassen.

Abschließend lässt sich also sagen, dass es eine wirkliche Objektivität, wie der Mensch es suggeriert, eigentlich nicht gibt. Diese Objektivität, versucht man beide erwähnten Definitionen zusammenzufassen, liegt außerhalb unseres Bewusstseins. Solange wir also denken, ist unser Blick, unsere Wahrnehmung immer von unserer subjektiven Denkweise geprägt. Wir können versuchen, sie bis an ihre Grenzen zu treiben, aber im Endeffekt schaffen wir es nicht, dieser zu entkommen, es sei denn, wir verleugnen unsere Existenz oder tauschen unser Ich mit einem anderen. Was wir außerdem lernen konnten ist, dass es DIE Wirklichkeit, die ganz objektiv ist, nicht gibt. Zumindest nicht aus unserer Sicht. Wahrscheinlich liegt sie außerhalb unseres Bewusstseins. Vielleicht können wir sie erahnen, wenn wir einfach nur die Welt sehen, ohne, dass wir über sie denken, urteilen oder sonstiges. Aber das funktioniert nicht. Solange wir denken, konstruieren und interpretieren wir die Welt von unserer „Landkarte“ aus. Was wir aber annehmen können ist, dass es mehrere Realitäten gibt. Weil jeder die Welt anders sieht und interpretiert. Außerdem hat sich herausgestellt, dass die Realität nicht von Bewertungen wie wahr oder falsch, gut oder schlecht abhängt. Denn diese Bewertungen sind wiederum Interpretationen und somit subjektiver Herkunft.

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