In
ferner Zukunft: Es ist möglich das Gehirn des Menschen in Roboter
und Maschinen einzusetzen. Damit finden wir eine Möglichkeit, auch
außerhalb unserer menschlichen Körper und nach dessen Tod in einer
anderen Form weiterzuleben. Doch kann man das noch als Leben
bezeichnen? Bin ich mit einem anderen Körper überhaupt ein Mensch?
Und bin ich dann überhaupt noch ich selbst?
Was
macht mich selbst aus? Was muss vorhanden sein, damit ich sagen kann,
dass ich weiter existiere? In welcher Form kann ich weiterleben?
Das
sind Fragen, die ich mir mit diesem Gedankenexperiment stelle und die
nicht einfach zu beantworten sind. Sie sind eng überhaupt mit der
Frage nach der Identität verbunden und auch hier finde ich, gibt es
viele verschiedene mögliche Antworten.
Zunächst
einmal sollte ich klären, was „Identität“ eigentlich bedeutet.
Für mich ist eine Identität unverwechselbar und einzigartig. Jede
Identität ist individuell und kann nicht einfach so kopiert werden.
Identität ist für mich der Zusammenschluss mehrerer Eigenschaften,
die mich ausmachen. Identität ist aber für mich nicht einfach nur
etwas Inneres, sondern auch das Äußere. Ich habe einen Körper und
ich bin mein Körper. Ich identifiziere mich mit ihm, er gehört zu
mir. Da stellt sich mir die Frage, ob ich dann noch die Alte bin,
wenn ich diesen Körper verlasse und stattdessen einen mechanischen
erhalte? Ich denke, dass man hier nicht pauschal sagen kann, dass
Identität nur von bestimmten Faktoren abhängig ist. Es ist das
Zusammenspiel und die Kontinuität zwischen den Aspekten, aus denen
heraus meine Identität möglich wird.
Ich
denke, dass ich auch ohne menschlichen Körper noch ich bin. Aber
gleichzeitig bin ich nicht mehr dieselbe. Wir sind aber alle nie für
immer dieselben. Täglich sterben alte Zellen, neue kommen. Wir
entwickeln uns immer weiter. Identität ist nichts Festes, zu keiner
Zeit. Sie verändert sich stetig, so wie wir es auch tun. Wer sagt,
dass das Ich von gestern noch dasselbe wie das heutige ist? Ich bin
auch nicht mehr die Person vor 10 Jahren. Ich kann mich zwar noch an
mein altes Ich erinnern, aber ich stecke einfach nicht mehr so tief
drin. Ich bin jetzt anders. Ich verändere mich mit der Zeit, sowohl
körperlich als auch geistig und seelisch. Ich werde von meiner
Umwelt geformt, von mir selbst. Unser Charakter verändert sich,
unsere Persönlichkeit, unsere Vorlieben und Abneigungen wandeln
sich. Wir denken ganz anders über Dinge, wir empfinden anders. Alles
ist im stetigen Wandel. Zu keiner Zeit ist unsere Identität fest.
Müsste
man dann sich nicht fragen, ob wir im Laufe unseres Lebens
verschiedene Identitäten annehmen? Was ist überhaupt stabil?
Ich
würde sagen, nur meine Vergangenheit. Dazu gehört für mich
natürlich meine Persönlichkeit, meine Stärken und Schwächen,
meine Ängste und Sorgen. Vor allem aber auch meine Erinnerungen, all
die Erlebnisse aus meinem Leben machen mich zu dem Menschen, der ich
bin. Identität hat auch etwas mit meiner Vergangenheit und Herkunft
zu tun, also wo ich geboren wurde und wie, sowie meine Familie und
all die sozialen Umstände, in die ich hinein geboren wurde. Also
kurz: einfach all meine Vergangenheit.
Dennoch
will ich nicht sagen, dass sich Vergangenheit in Stein meißeln
lässt. Wir glauben fest daran, dass unsere Erinnerungen echt und
wahr sind. Die Wahrheit ist aber, dass wir niemals die vollkommene
Wirklichkeit haben werden und auch Erinnerungen uns täuschen können.
Unsere eigene Lebensgeschichte schreiben wir unbewusst um, wir
verändern Dinge, verfälschen sie. Der Zugriff auf die Erinnerungen
erfolgt individuell und mit Veränderungen verbunden. Es ist ein Akt
und insofern nie immer das Gleiche. Insofern ist auch die
Vergangenheit nicht immer gleich. Je nachdem, wo ich jetzt stehe,
sehe ich die Dinge und Ereignisse im Rückblick wieder ganz anders.
Ich interpretiere Dinge ganz neu und schreibe meine Geschichte um.
Das
Einzige, was sich wahrscheinlich wirklich nicht ändert ist meine
Herkunft, mein Geburtsort und wie ich zur Welt gekommen bin und
natürlich meine Familie selbst. Diese Dinge sind untrennbar mit
meiner Identität verwoben und lassen sich auch im Rückblick nicht
ändern. Es sind Fakten, die bestehen und gültig bleiben auch wenn
unser Gedächtnis sie verändern will. Sie bleiben erhalten. Nur
meine Erinnerungen an Fakten und Ereignisse sind nicht unfehlbar.
Wie
weiß ich aber dennoch, wer ich bin. Meine Identität ist die Antwort
auf die Frage, wer ich bin. Gehe ich davon aus, dass ich mehrere
Identitäten habe? Oder gehe ich davon aus, dass meine Identität
sich mit mir verändert, aber immer noch ein und dieselbe bleibt? Ich
denke nach wie vor, dass Identität fest mit meinen Wurzeln und
Erinnerungen verbunden ist. Doch um diese überhaupt zu haben,
brauche ich auch ein Bewusstsein. Ich muss erkennen, dass es mich
gibt, dass ich ein Individuum bin. Ich muss überhaupt erst einmal
reflektieren und denken können.
Um
überhaupt mich selbst als Ich wahrzunehmen und zu erkennen, brauche
ich in erster Linie aber ein Gehirn. Ohne geht es gar nicht. Ich bin
der Überzeugung, dass Geistiges mit Materiellem verbunden ist und es
nicht ohne Materielles existieren kann. Materielles kann aber
durchaus auch ohne Geistiges bestehen. Ich denke, dass Gehirn ist
Grundlage für meine Identität. Um diese zu entwickeln, brauche ich
ein Organ, dass mir kognitive Fähigkeiten verleiht. Und wie wäre
es, wenn ich stattdessen einen Elektrochip habe, auf dem meine
Erinnerungen gespeichert sind? Das würde nicht genügen, denn wie
gesagt, ich muss in der Lage sein, zu begreifen, dass ich bin und wer
ich überhaupt bin. Wenn auf dem Chip tatsächlich auch all die
kognitiven Fähigkeiten wie Erinnern, Denken, Reflektieren usw.
vorhanden sind, spricht nichts dagegen. Aber Erinnerungen alleine,
denke ich, würden nicht ausreichen.
Daneben
erachte ich auch mein Innenleben als Teil meiner Identität. Dazu
gehört all das, was ich auch bereits erwähnt habe. All meine
Regungen und meine Gedanken. Alles, was mich eben zu einer Person
ausmacht. Mein Eigenschaften, meine Fähigkeiten, Stärken,
Schwächen, meine Emotionen und Gedanken, alles, was ich wahrnehme.
Meine Ansichten, Meinungen, Werte, Vorstellungen, Ängste, Wünsche,
Begierden, Leidenschaften, all das und noch mehr gehört zu meinem
Innenleben dazu. Meine Persönlichkeit ist ein fester Teil meiner
Identität.
Halten
wir also bis hierher fest: Meine Identität muss nicht zwangsläufig
nur an meinen Körper gebunden sein. Ich finde es entscheidender,
dass ich überhaupt denken kann. Ich muss mich erinnern können, ich
muss mich meiner selbst bewusst sein. Ich muss meine Persönlichkeit
und mein Innenleben bewahren. Dann kann meine Identität auch
bestehen bleiben, auch wenn mein Körper ein anderer geworden ist.
Doch
vorhin hatte ich es schon erwähnt. Auch der Körper ist einzigartig,
gehört nur zu mir und eigentlich fällt es mir schwer, ihn von
meiner Identität abzukoppeln. Wir schauen in den Spiegel und
erkennen uns selbst, insofern ist der Körper ein Aspekt, damit wir
uns selbst wiedererkennen und uns selbst bewusst werden. Kann ich
dann überhaupt sagen, dass ich noch dieselbe bin, wenn ich den
Körper nicht mehr habe. Ich bin definitiv nicht mehr dieselbe. Ich
weiß zwar wer ich bin, aber ich habe mich grundlegend verändert.
Ich
glaube auch, dass mein Körper als Maschine sich ganz anders anfühlt.
Das würde meine Selbstwahrnehmung enorm auf den Kopf stellen. Ich
würde glaube schon Probleme damit bekommen, ich selbst zu sein. Ich
fürchte, dass ich die Verbindung zu mir selbst verlieren würde.
Denn ich glaube, dass der Körper doch wichtiger bei der
Identitätsstiftung ist, als gedacht. Schließlich habe ich nicht nur
einen Körper, ich fühle mit diesem. Ich gehe mit diesem durch die
Welt. Ich nehme alles auf und orientiere mich mit ihm. Ich sehe,
rieche, höre, spreche, und fühle. Doch mit einem mechanischen
Körper würde alles ganz anders werden. Ich könnte vielleicht noch
sehen, hören, sprechen und riechen, aber was ist mit dem Tastsinn?
Ich glaube, dass ich diesen unwiderruflich verlieren werde. Doch mit
diesem nehme ich Kontakt zu Welt auf, ich fühle auch mich selbst.
Ein Teil von mir würde dadurch verloren gehen.
Man
stellt sein Ich schon in Frage, wenn man nur ein bisschen an sich
verändert, sei es der Kleidungsstil oder die Frisur. Doch ein
vollkommen neuer Körper würde das Ich-Empfinden total verwirren und
wer weiß, ob ich dann noch in der Lage wäre, mich als Ich
festzuhalten. Darüber hinaus würde mir auch die körperliche
Entwicklung und Veränderung fehlen. Ein Teil meiner Lebendigkeit
würde dahinsterben. Einerseits denke ich, wie schön es wäre, nicht
mehr zu altern, keine Angst vor dem Tod zu haben. Krankheiten würden
mir nicht mehr zu schaffen machen. Ich wäre robuster und weniger
verletzlich.
Doch
ist das immer gut frage ich mich? Verliere ich dadurch nicht an
Lebendigkeit? Würde ich mich dann nicht mehr wie ein Lebewesen
fühlen? Alles wäre so unnatürlich. Dabei streben Menschen nach
Authentizität. Selbst wenn wir in Illusionen glücklicher leben
könnten, wählen wir lieber das härtere Leben, weil es das echte
ist. So wäre es auch mit dem Maschinenkörper. Ich stelle mir ein
Leben damit zwar irgendwie bequemer vor, aber auch unwirklicher und
nicht so schön, wie mit einem lebendigen Körper.
Ich
ertappe mich dabei, wie ich meine Schlussfolgerungen revidieren muss.
Ich habe gesagt, dass der Körper gar nicht so wichtig ist. Aber
eigentlich ist er ja sehr wohl sehr wichtig für meine Identität.
Verändert sich mein Körper, verändere ich mich auch selbst. Körper
und Innenleben sind sehr eng verbunden, ich kann sie nicht
voneinander trennen. Sie gehören einfach zusammen. Und deswegen
würde sich meine Transformation sehr stark auf meine Identität.
Zumal ich festgestellt habe, dass ich zum Großteil mich durch mein
Äußeres wieder erkenne. Doch wenn das nicht mehr ist, dann stirbt
auch ein Teil von mir. Vielleicht nehme ich dann tatsächlich eine
andere Identität an?
Dennoch
bleibt es dabei. Auch wenn ich eine andere Identität annehme,
solange ich mein Gehirn habe, das funktioniert, lebe ich weiter.
Egal, in welcher Form. Doch kann man das noch als Leben bezeichnen?
Denn ich habe ja keinen lebendigen Körper. Ich würde sagen, Ja und
Nein. Nein, weil ein Stück meiner Lebendigkeit und Natürlichkeit
fehlt. Mein Körper ist eben nicht mehr natürlich. Und dennoch lebe
ich weiter, weil mein Geist mit drin ist. Ich lebe, weil ich ein
Bewusstsein besitze. Insofern muss also wenigstens mein Gehirn
überleben und echt sein, damit ich auch weiterlebe. Denn wenn das
nicht mehr wäre, dann würde ich auch aufhören zu existieren.
Für
meine Existenz ist also mein Gehirn und mein Bewusstsein am
allerwichtigsten.
Doch
damit verbunden ist auch eine Art Hülle, ein Gefäß wie eben der
Körper, ob menschlich oder nicht. Denn ein Gehirn allein könnte
nicht existieren. Wobei man aus Science Fiction Filmen Bilder kennt,
in denen nur das Gehirn isoliert vorhanden ist und am Leben erhalten
wird. Wie ihr merkt, fällt es mir nicht leicht festzulegen, was
meine Identität ausmacht. Ich würde sagen, dass Identität eben ein
Kontinuum von verschiedenen Dingen ist. Auch wenn ich keinen
menschlichen Körper mehr besitze, weiß ich wer ich bin und was mich
auszeichnet. Darum ist der Körper nicht Grundlage, sondern aber ein
wichtiger Teil meines Ichs. Ich finde, dass Erinnerungen doch etwas
wichtiger sind, wenn es um meine Identitätsfrage geht. Denn, das was
ich erlebt habe, das macht mich eben zu dem einzigartigen Menschen,
der ich bin. Würden mir diese Erinnerungen fehlen, wüsste ich gar
nicht, wer ich bin und was mein bisheriges Leben gewesen ist. Diese
Erinnerungen sind sinnstiftend und überaus wichtig für meine
Identität. Doch gleichermaßen brauche ich natürlich auch meine
Persönlichkeit, damit meine Identität vollkommen ist.
Das
sind also für mich die Grundbestandteile der Identität. Doch zurück
zu den Ausgangsfragen. Bin ich denn überhaupt dann noch ein Mensch
mit einem Maschinenkörper? Ich würde sagen Ja und Nein. Ich habe
keinen Menschenkörper mehr, sondern einen mechanischen. Aber mein
Geist ist ja immer noch vorhanden. Und dieser zeichnet mich als
Menschen aus. Es ist wie mit den verwunschenen Tieren in Märchen.
Wir würden sie nicht als Tiere erachten, aber eigentlich sind sie im
Kern Menschen.
Nur
dort besteht der Unterschied darin, dass sie wieder ihren Körper
bekommen. Doch wir müssten für immer in dem Maschinenkörper
bleiben und es ist keine vorübergehende Verwandlung, sondern eine
endgültige Transformation. Das Bewusstsein ist das, von dem wir
sagen, dass es den Menschen einzigartig macht. Doch was ist, wenn
andere Lebwesen ebenso ein Bewusstsein entwickeln. Sind sie dann
ebenfalls Menschen? Ich glaube, ich würde nur noch zur Hälfte
Mensch sein, wenn ich den anderen Körper hätte. Es kommen eben auch
sehr wichtige Wahrnehmungsorgane abhanden, die mich als Menschen
auszeichnen.
Noch
einmal zurück zur Frage: Lebe ich dann überhaupt noch? Zum Leben
gehört leider dazu, dass wir altern, dass Zellen sterben, unsere
Organe funktionieren. Ich glaube, dass wir körperlich gestorben
sind, weil unser Körper das eben nicht macht. Rein biologisch
betrachtet wären wir also eigentlich tot,. Doch das Geistige
überlebt ja und existiert weiter. Es kommt also darauf an, wie ich
Leben definiere. Dabei hatte ich noch geschrieben, dass Körperliches
und Geistiges eng verbunden sind. Ein Teil von mir stirbt, definitiv.
Ich lebe nicht mehr im eigentlichen Sinne. Es ist eine andere Art
weiterzuleben.
Aber
ist sie erstrebenswert? Das Einzige, was sich verändert und was
weiterlebt, ist mein Geist. Ich kann nur geistig mich
weiterentwickeln. Doch als das Sinnliche und Körperliche gäbe es
für mich nicht mehr. Das wäre schon sehr traurig und ein sehr
großer Verlust. Aber dafür hätte ich nahezu ewiges Leben. Ich
würde nicht altern, ich würde nicht die gleichen Schmerzen und
Leiden bekommen, wie mit einem menschlichen Körper. Ich weiß nur
nicht, ob das besser wäre. Möchte ich denn überhaupt so
weiterleben?
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